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Wasserkraft in Tunesien

 

Staudämme:

Tunesien verfügt bereits seit der Antike über Staudämme, die eine effektive Wassernutzung insbesondere für landwirtschaftliche Zwecke ermöglichen. In den 1950ger Jahren wurden die ersten stromerzeugenden Wasserkraftwerke errichtet. Insgesamt verfügt Tunesien über eine installierte Leistung an Wasserturbinen von ca. 66 MW – eine Übersicht der Standorte ist in Tabelle 1 bzw. Abbildung 1 gegeben. Da die Staudämme jedoch oftmals in erster Linie Trinkwasserreservoire sind, bzw. für die Landwirtschaft genutzt werden, steht diese Leistung nicht permanent zur Verfügung. Die Wasserkraftanlagen befinden sich alle im Nord-Westen des Landes, in den nord-östlichen Ausläufern des Atlasgebirges bei der es sich um eine eher feuchte (subhumide) Klimazone handelt. Der Fluss Medjerda aus dem algerischen Atlas kommend, speist die Stauseen Sidi Salem und El Aroussia.

 

 

Tabelle 1: Übersicht der Wasserkraftwerke in Tunesien

 

Ort

Turbinen

Leistung

Inbetriebnahme

Stauseevolumen

Energie

 

Anzahl

in MW

Jahr

in Mm3

in GWh/a

Sidi Salem

1

36

1983

640

40

Nebeur (Mellegue)

2

13,2

1956

200

17

Fernana 1 + 2 (Ben Metir)

2

1,2 + 8,5

1958, 1962

73

 

El Aroussia

1

4,8

1956

8

 

Bouhertma, Sejnana

2

1,2 + 0,62

2003

117

 

Kesseb

1

0,66

1969

92

 

Summe

 

66,2

 

 

100

 

 

 

Abbildung 1: Nordtunesien mit den Stauanlagen Ben Metir, Kasseb, Bouhertma, Mellegue, Sidi Salem und El Aroussia (eigene Darstellung basierend auf [Bourrichon 2009])
Abbildung 1: Nordtunesien mit den Stauanlagen Ben Metir, Kasseb, Bouhertma, Mellegue, Sidi Salem und El Aroussia (eigene Darstellung basierend auf [Bourrichon 2009])

 

Die leistungsstärkste Turbine ist Sidi Salem mit 36 MW (80 m3/s), was bereits mehr als 50 % der im Lande installierten Leistung ausmacht. Das Wasserreservoir hat einen jährlichen Zulauf von 50.000 m3, der jedoch hauptsächlich als Trinkwasser und für die Agrikultur verwendet wird. Insgesamt produzieren die Wasserkraftwerke jährlich um die 100 GWh Strom und machen damit weniger als 1 % der nationalen Stromproduktion aus. Angesichts des nationalen Stromverbrauchs von 18.000 GWh (2015) mit steigender Tendenz werden die Wasserkraftwerke stets nur einen bescheidenen Beitrag leisten.

 

 

Wellenenergie:

Die Küstenlänge Tunesiens beträgt ca. 1.150 km, was in etwa der Hälfte der deutschen Küstenlänge entspricht. Im Gegensatz zu Deutschland befinden sich jedoch wesentliche Ballungszentren wie Tunis, Sousse oder Sfax direkt an der Küste. Dies sind gute Voraussetzungen für eine Nutzung von Wellenenergie.

 

Prinzipiell gibt es mehrere Funktionsprinzipien um Wellenenergie nutzbar zu machen (eine gute Übersicht bietet dazu der Wikipedia-Artikel „Wellenkraftwerk“: https://de.wikipedia.org/wiki/Wellenkraftwerk). Allerdings hat sich bisher keine der vorgeschlagenen Konzepte am Markt durchsetzen können. So ist beispielsweise das recht bekannte „Pelamis“ Konsortium, das eine schlangenähnliche Schwimmkonstruktion entwickelt und vor der Küste Portugals erprobt hatte [Morris 2005], seit 2014 pleite [Sinn 2017, dnn 2017].

 

Das bereits seit 2001 in Schottland von Wavegen betriebene Konzept der pneumatischen Kammer mit Wellsturbine, welches inzwischen von VOITH optimiert wurde, ist bisher nicht weiter im Markt verbreitet, wird aber nach wie vor von Voith angeboten. Laut [Voith 2006] gibt es Pläne für Anlagen mit Leistungen im Bereich von 250 kW und 3,5 MW. Dieses Funktionsprinzip dürfte jedoch für den stärkeren Wellengang der Ozeane besser geeignet sein als für mediterrane Verhältnisse.

 

Ein vergleichsweise junges Konzept bietet SINN Power, gegründet 2014, an. In Griechenland wird derzeit im Rahmen eines Forschungsprojektes ein Dauertest unter realen Bedingungen durchgeführt [Knappik 2017]. Die Anlagen von SINN Power bestehen aus Schwimmkörpern, die Linearmotoren antreiben und bei mediterranen Wellenverhältnissen 1-2 kW erzeugen. Diese Elemente können zu Plattformen mit z.B. 35 Elementen zusammengeschlossen werden. Eine solche Anlage könnte dann recht kontinuierlich um die 50 kW Strom erzeugen. Die Kosten des Systems liegen derzeit noch über den Kosten für Windkraftanlagen (laut [Morris 2005] etwa das Doppelte von Windenergie), hat aber den Vorteil, dass der Platzbedarf deutlich geringer ist als bei Windnutzung. Laut [Sinn 2017] ist das SINN Power System bezogen auf die Kosten bereits mit Dieselgeneratoren konkurrenzfähig. Bei fortschreitender Technologiereife und Modularisierung ist es jedoch recht wahrscheinlich, dass die Nutzung von Wellenenergie noch günstiger und somit für Tunesien eine lohnenswerte Ergänzung des Stromerzeugungs-Portfolios wird.

 

 

Zusammenfassend:

Es ist also festzustellen, dass Wasserkraft in Tunesien wohl eher eine Nischenanwendung bleibt. Dennoch lohnt es sich die bestehenden Anlagen aktiv zu halten, da sie wertvolle Systemdienstleistungen generieren können. Zukünftig kann die Nutzung von Wellenenergie eine wertvolle Ergänzung des Energieportfolios werden.

 

 

QuelleN

 

[Bourrichon 2009]

Bildnachweis: Bourrichon - fr:Discussion Utilisateur:Bourrichon - Own workData sources: Background map: data from NASA Shuttle Radar Topography Mission (SRTM3 v.2 & SWDB) (public domain) Locator map made from File:Mediterranean.svg created by STyx (Public domain); scale from Image:Scale_kilometres_miles_svg.svg by Sémhur under GFDL & CC-BY-SA-3.0Others: [1]: pp. 3 (détail du bassin amont), 26 (délégations avales) et 47 (délégations amont) [2]: pp. 2 (localisation régionale) et 5 (détail du bassin aval) [3]: p. 2 (vue générale du bassin) Softwares used: NASA datas edited with Global Mapper 9 (limited version) by the United States Geological Survey (USGS)Vectorized with InkscapeOthers: equirectangular map projectionWGS84 geodetic system Shaded relief (ligth direction): altitude 80°, azimuth 315°Fonts: Times New Roman for capes and dams, Arial for others., CC BY-SA 3.0, URL: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6563621

[Chabaani 2009]

Chabaani: « STEG » à l’horizon 2025. Masterthesis, Université Virtuelle de Tunis, März 2009

[DNN 2017]

Dresdner Neueste Nachrichten (Hrsg.): Alternative Energie aus der Kraft des Wassers. Online Beitrag von @tina7si (#113910042) URL: http://www.dnn.de/Ratgeber/Bauen-Wohnen/Alternative-Energie-aus-der-Kraft-des-Wassers

[Knappik 2017]

Knappik, C.: SINN Power receives €1.0 million grant for wave energy research in Greece. Pressemitteilung, 7.8.2017 URL: https://www.sinnpower.com/

[Morris 2005]

Morris, Craig: Energie aus dem Meer. TELEPOLIS, 16.Dez.2005, URL: https://www.heise.de/tp/features/Energie-aus-dem-Meer-3403736.html

[Sinn 2017]

Sinn, Philipp: SINN Power GmbH | Wave EnergyEnergie aus Meereswellen. Präsentation anlässlich des BEE Neujahrsempfangs 2017, Berlin, 16.Feb.2017

[Vincke 2017]

Vincke, M.M.J.: ANNEXE 13 - Revue des sites potentiels pour l'aquaculture dans les eaux continentales tunisiennes. URL: http://www.fao.org/docrep/006/q2659f/Q2659F17.htm

[Voith 2006]

Voith (Hrsg.): Energie aus der Hafenmole. Voith Paper twogether (22) 2006, S.66